Kurs 220°… Richtung Kanaren…

Montag 04.10.21 …um 06:05 klingelt der Wecker… es ist noch dunkel… trotzdem raus aus der Koje, denn der neue Wetterbericht soll Gewissheit geben, ob wir heute zu den Kanaren auslaufen.

Viele Kleinigkeiten sind auch noch zu tun, Seewasserfilter säubern, Tagestank füllen, Bilge kontrollieren, Kühlschrank auffüllen, Kühlschrankabwasser leeren, Staufächer und Backskisten gegen Klappern und rumrutschen sichern und ausstopfen… usw…

Der Wetterbericht ist da und wir haben die Qual der Wahl… entweder heute starten und die erste Nacht in Böen bis 27 Knoten mit 2,5 Meter Welle haben oder am Dienstag starten, mit weniger Wind und weniger Welle… hmm … beiden Varianten gemeinsam ist das große Flautenloch am Anfang des Törns… das ist doof… doch irgendwie scheint es auch in den nächsten Tagen an der Küste vor Faro am Vormittag immer große Flautenlöcher zu geben… Nach einigem hin und her entscheiden wir gemeinsam, heute wie geplant soll es weiter gehen Richtung Kanaren, zur Insel La Graciosa…

Mit uns fährt auch die SY Cavalou los, ein 16 Meter langer Alu-Oneoff, der für die Arktis gebaut wurde (Heimathaven BVI’s). Ihr Skipper Henry hat uns am Vorabend sein Routing von seinem Meteologen gegeben… sieht ähnlich aus, wie unser Bericht von Wetterwelt…

Um 09:45 gehen wir Anker auf, fahren noch bei der Cavalou vorbei und wünschen einen schönen Törn. Dann geht’s weiter Richtung Lagunenausfahrt. Heute haben wir seit 08:00 auflaufendes Wasser, also gegen die Strömung raus. Etwas Vorsicht ist dabei wegen der Strömung und Eddis geboten, doch es klappt mit nur 1-1,5 Gegenströmung ganz gut und wir sind um 10:15 draußen…

Kein Wind und kaum Welle… also weiter motoren und die Bäume für den angesagten raumen Wind schon mal setzten… das geht ganz gut und schnell, da wir am Vorabend dafür schon alles vorbereitet haben… Nun sehen wir aus wie ein Krabbenkutter ohne Netze… so tuckern wir weiter dem endlosen Horizont entgegen…

Ein paar letzte Telefonate und Nachrichten noch übers Handy, dann ist das Mobilfunknetz weg… Jetzt haben wir nur noch unsere neue Funkanlage und das Kurzwellen-Netz und seit heute sind wir auch bei Iridium aufgeschaltet und können im Notfall über Satelliten telefonieren. Das gibt ein gutes Gefühl…  wir sind also bestens vorbereitet.

Eine Meile hinter uns folgt die Cavalou und holt langsam auf… wir fahren mit knapp 6 Knoten und 1.700 Umin…. das ist ein guter Kosten-Nutzen-Mix bzgl. Dieselverbrauch unserer LADY. Die größere Cavalou überholt uns ein paar Stunden später und wir tauschen uns über Funk noch kurz über das Wetter aus… der Wind wird kommen versichert uns Henry… trotzdem ist es nervig als Segelschiff zu motoren…. Geduld… hmm…

15:00 es schaukelt inzwischen immer mehr, doch Wind fehlt leider immer noch… tja, er wird schon noch kommen… zumindest haben wir durch das motoren wieder randvolle Batterien… auch gut.

Für den Notfall haben wir erstmals ein Grabbag gepackt, das auch schwimmt. Alles Wichtige für ein evtl. Verlassen des Schiffs auf See ist da drin. Sattelitentelefon, Handy, GPS, PLB, Geld, Kreditkarten, Ausweise und ein paar Müsliriegel… Seenotraketen, Proviant und Wasser haben wir extra griffbereit… und die Rettungsinsel ist ohnehin immer einsatzklar… Doch das wollen wir natürlich so alles nie brauchen müssen… aber auch das gibt ein gutes Gefühl für den Notfall vorbereitet zu sein.

Gerti hat vorgekocht und heißer Tee ist ebenfalls in der Thermoskanne bereit… Jetzt muss nur noch der passende Wind endlich kommen…

Als Wachsystem haben wir 4×3 Stunden nachts und 3×4 Stunden tagsüber abgesprochen… so bekommt jeder ausreichend Schlaf und hat nicht immer genau die gleiche Wachschicht… wer mag sonst schon jede Nacht freiwillig die Hundewache machen…

Und wieder ist eine Stunde rum…. und wir motoren immer noch und geigen in der Dünung…. arrghh… wann kommt der Wind…? …die Blicke gehen in die Runde und suchen das leicht gekräuselte Wasser ab. Keine Veränderung…. Doch da, da spritzt immer wieder was an der Wasseroberfläche… Delfine oder Orcas….? Her mit dem Fernglas, hier sollten keine Orcas mehr sein, die sind doch jetzt alle nach Norden Richtung Galizien abgezogen…. Und tatsächlich es sind zum Glück nur Delfine… und die sind immer willkommen… yeahh… mehrere immer wieder in Zweier- und Dreierformation aus dem Wasser kommend… sie scheinen schräg von hinten auf uns zuzukommen, gehen aber leider weit achteraus durch und sind wieder verschwunden. Schade aber immer wieder schön… J

Dann endlich… ausreichend Wind zum Segeln… aber aus Nordwest… das passt von der Richtung ja nun so gar nicht zu unseren so schön ausgebaumten Spibäumen… ahh… nunja… also BB-Baum weg und die kleine Genua auf Backbord gesetzt… der Wind soll ja wieder drehen und dann wollen wir entspannt mit Passatbesegelung dahinsurfen…. so der Plan… doch es sollte mal wieder ganz anders kommen…

Der Wind nimmt stetig zu und erreicht in Böen 31 Knoten… das ist mehr als angesagt, doch da er auf schräg von hinten dreht, ist das ohne reffen noch ok… Unsere LADY rauscht nur mit der kleinen Genua deutlich über 7 Knoten dahin… das ist super und hätten wir so nicht erwartet. Eine angenehme Nacht wird es trotzdem nicht, da uns die seitliche Welle ordentlich durchgeigt…. arrghh… naja… aber es läuft so immerhin 2 Tage lang schnell dahin und wir haben einen schönen Sonnenuntergang auf See… Dann dreht der Wind mehr auf achtern und lässt immer mehr nach… nur noch 15-17 Knoten… ok, wir baumen wieder aus und setzten die 2. Genua dazu… so läuft’s prima dahin. Die seitliche Welle macht uns allerdings weiter zu schaffen… es geigt kräftig und dadurch schlägt insbesondere das Luvsegel immer wieder deutlich… etwas eingerefft geht’s besser…. doch der Wind sinkt langsam weiter auf unter 10 Knoten… So geht das nicht… das Segelschlagen nimmt zu und auch die Windfahnensteuerung mag so den Kurs nicht mehr richtig halten…. sehr schade, verflixt… Das haben wir nach dem Wetterbericht so nicht erwartet und mögen das so gar nicht… hmm… also die Segel müssen weg und Motor und Autopilot an…. nutzt ja nix… die letzten Meilen geht es also unter Motorbrummen weiter.

08.10.21 / 08:10 Land in Sicht…. Gerti ist der beste Ausguck an Bord und hat es natürlich zuerst gesehen… Schnell kommt es näher und um 12:30 sind wir kurz vor der Passage zwischen Lanzarote und La Graciosa…. Und um 14:00 Uhr (nach rund 100 Stunden und 538 Seemeilen) fällt unser Anker in der Playa Francesa… auf der rechten Buchtseite auf 7 Meter Wassertiefe und hält sofort und ruckartig…. also irgendwo massiv im Felsgrund eingehakt. Weiter zur Buchtmitte ist besserer Ankergrund mit Sand… doch da ist alles voll ankernder Schiffe. Um gut schlafen zu können tauche ich den Anker kurz an und sehe ihn gut verkeilt in einer Felsspalte…. So das er später wahrscheinlich auch wieder gut hochkommt…. Das passt… jetzt erstmal baden und ausschlafen… Wassertemperatur hat hier herrliche 23-24 Grad und es ist schön klar und sauber…. einfach super….

Die nächsten zwei Tage vergehen wiedermal wie im Fluge und da es ziemlich viel Wind hat, verzichten wir auf eine nasse Dinghi-Fahrt an Land und wollen lieber weiter an die Südküste von Lanzarote…. Entweder vor der Marina Rubicon ankern… oder mit viel Glück einen Marinaplatz bekommen… mal sehn…

Montag 11.10.21 / 09:15… wir gehen ankerauf und setzten Segel…. Es wird ein gemischter Segel-/Motortag bei moderater aber seitlicher Dünung… nix wovon man schwärmen kann… aber das hört man von dieser Ecke hier öfter… Immerhin nahe an der Küste entlang mit gutem Blick auf die unwirkliche Mondlandschaft von Lanzarote… ein interessanter Anblick.

Um 15:30 passieren wir das Cap Punta Pechiguera und lassen um 16:00  vor der Marina Rubicon den Anker fallen. Nach einem Telefonat mit einer netten Mitarbeiterin der Marina Runicon, bekommen wir zu unserer großen Überraschung einen schönen Liegeplatz in der Marina… wiedermal Glück gehabt… und wirklich sehr freundliches und hilfsbereites Personal hier… Von der Marina sind wir insgesamt sehr positiv überrascht… alles sehr schön und sauber, mit vielen Restaurants und Shops… und sogar incl. kostenfreiem Pool… hier kann man es gerne auch länger aushalten. Und wir freuen uns sehr, hier Piet & Gitta von der SY Platypus wieder zu treffen…. ein schönes Wiedersehen… 🙂

Die nächste Herausforderung ist der Mietwagen…. Angeblich ist für die nächsten 2 Wochen hier nichts zu bekommen… nur vielleicht über einen Anbieter am Flughafen… Dann kommt uns eine sehr gute Idee… wir rufen unser Reisebüro in Deutschland an und fragen dort nach. Tatsächlich hat das super geklappt und nach 10 Minuten haben wir für 3 Tage einen Mietwagen. Toll. 🙂

Also auf zur Inseltour: Am ersten Tag (14.10.21) die Nordtour mit dem sensationellen Künstlerhaus von César Manrique und den Vulkanhöhlen von „Jameos del Agua“ und „Cueva de los Verdes“… sehr beeindruckend und empfehlenswert zur Besichtigung. Weiter über die Nordspitze der Insel mit einem tollen Ausblick vom „Mirador des Rio“ auf die gegenüberliegende Insel La Graciosa.

Am zweiten Tag  (15.10.21) dann die Südtour zu den „Montañas del Fuego“…. Ebenfalls sehr beeindruckend und für uns der Höhepunkt bzgl. Sightseeing auf Lanzarote… Wer allerdings Angst vor schmalen Serpentinenstraßen mit steilen Abgründen ohne Leitplanken hat, soll sich das vorher gut überlegen… 😉

Der dritte Tag (16.10.21) zum Einkaufen und Proviant transportieren… wunderbar… wir können wieder gut nachbunkern… brauchen aber 3 Stunden zum Verstauen und Umräumen… ja das ist ganz anders als zuhause in Deutschland und immer noch ungewohnt für uns… aber es wird und es gibt hier auch beinahe alles was man braucht… 😉 

Heute wollen wir mal wieder kochen… die Kartoffeln treiben und müssen verarbeitet werden… und dann passiert mal wieder was Dummes… das Gas geht aus !!! Super dämlich, weil wir mit dem Mietwagen doch eine tolle Möglichkeit zum Transportieren gehabt hätten… und jetzt…??? Und wo…??? Zum Glück kennt die Platypus eine der wenigen Möglichkeiten, um auf Lanzarote deutsche Gasflaschen zu füllen. Die ist allerdings nordöstlich von Arrecife und nur mit dem Auto erreichbar… und füllt auch nur Mo-Fr vormittags. Heute ist Samstag und morgen früh soll das Auto zurück. Ohman, wie blöd ist das denn… Grübelgrübelundstudier… japp die Lösung naht… wir können den Mietwagen günstig auf Montag 11:00 verlängern und das reicht, um die Gasflasche gefüllt zu bekommen und das Auto noch rechtzeitig am Flughafen abzugeben…. Yeahhh… 🙂

Unsere gebuchte Zeit in der Marina ist eigentlich rum, doch es stehen noch Wartungsarbeiten am Schiff an und der Wind passt auch nicht gut nach Teneriffa. Also verlängern… und zum Glück können wir 3 Tage verlängern und haben so Zeit für die Arbeiten am Schiff, u.a. Ölwechsel bei Motor und Getriebe, Filter- und Impellerwechsel, usw… und natürlich immer wieder einen schönen Bummel durch den Hafen zum Shoppen und Tapas essen… 🙂

Und vor ein paar Tagen kam auch noch die Maupiti mit Tobias, Tina, Tim und Mia hier an… welch schöne Überraschung… da haben wir nun auch noch schön Zeit uns zu treffen und ausführlich zu quatschen… sehr schön… Wir haben bis zur Karibik die gleiche Route über die Kapverden vor uns… das passt prima und so werden wir uns bestimmt noch öfter treffen… 🙂

Interessant war auch noch, welches Schiff schräg hinter unserer LADY BLUE festgemacht hat. Es ist die Thalassa, der Katamaran und wahrscheinlich das letzte Schiff von Bobby Schenk. Sie wurde in Neuseeland vom neuen Skipper übernommen und hierher gesegelt.
Zur Info: Bobby Schenk ist ein deutscher Weltumsegler, dessen Buch „Blauwassersegeln“ vor vielen Jahren der Auslöser meiner Segelträume war… und toll das Gerti das alles mitmacht… 🙂

Für Donnertag soll der Wind gut nach Teneriffa passen. Der Wetterbericht sieht gut und konstant aus… raumer Wind um die 20 Knoten mit Böen bis 25 Knoten, bei max 2 Meter Welle…. Und der Wind soll diesmal nicht wieder raumen und nachlassen… so ist’s ok, also los und auf nach Teneriffa… 🙂

4 Gedanken zu „Kurs 220°… Richtung Kanaren…

  1. Liebe Gerti, lieber Horst,
    Wir freuen uns immer über eure wunderbaren Berichte, man möchte sm liebsten auch mitsegeln.
    Habt weiterhin viel Spass und geniesst die Reise.
    Liebe Grüsse
    Sibylle und Peter

  2. Hallo ihr zwei, tolle Bilder und wieder ein toller Bericht! LG aus der Marina Rubicon…. wir kommen nach…. Gitta und Pete!

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